Persönlichkeitsentwicklung
9. Mai 2013

Sich selbst etikettieren

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Jeder hat manchmal Ängste, im einen Bereich weniger, im anderen mehr. Ängste dienen dazu, sich vor Gefahren zu schützen. Die Gefahren können ganz real sein, wenn man aber die Ängste erst einmal gelernt hat, treten sie auch auf, wenn die Gefahren längst nicht mehr bestehen oder zumindest nicht mehr in dem Ausmaß.

Man kann Symptome, die einem zeigen, dass etwas nicht stimmt, dass es da einen inneren Konflikt gibt, bestimmt auch irgendwas zuordnen, zum Beispiel einer bestimmten Angststörung, und dann denken, man sei eben so. Um diese Symptome und die Angst loszuwerden, kann man versuchen, die Angst zu konfrontieren, und Dinge tun, die man gar nicht tun will, einfach weil man denkt, dass man sie wollen würde, wäre die Angst nicht da, oder was auch immer einen persönlich plagt.

Und genau hier liegt die Gefahr von Etiketten: Man beginnt zu glauben, man sei so, wie es das Etikett vorgibt, und man müsste sich demnach so verhalten. Wer sich aber zu sehr in das Etikett “versteift”, geht davon aus, dass jedes Symptom seine Ursache zum Beispiel in der Angst hat, und vergisst dabei zu differenzieren, ob es sich vielleicht um simple Unlust handelt, die die Symptome hervorruft.

Wer bestimmte Dinge nicht tut, weil er Angst vor ihnen hat, neigt dazu, zu glauben, dass er, sobald er die Angst überwunden hat, alles tun könne und bestimmt auch wollen würde, was er jetzt nicht kann. Das ist aber ein Irrtum. Viele Dinge kann man auch ohne Angst nicht, und muss sie erst lernen, ganz wenige Dinge kann man vielleicht auch ohne Angst niemals lernen, und auf die meiste Dinge hat man überhaupt keine Lust, obwohl man keine Angst vor ihnen hat.

Es gibt Menschen, die können in keinen Bus einsteigen, weil sie Angst davor haben. Aber bedeutet das, dass deshalb jeder, der keine Angst davor hat, die ganze Zeit mit Bussen hin und herfährt, einfach weil er es theoretisch könnte? Natürlich nicht.

Selbstetikettierung macht mehr Schaden als Nutzen, denn sie setzt einen unter einen gewissen Druck, sich entsprechend der Eigenschaften, die einem das Etikett zuschreibt, verhalten zu müssen. Aber die Welt ist nicht schwarz oder weiß.

Selbstetikettierung kann helfen, wenn man etwas an sich selbst nicht versteht, weil man anhand der Aufschrift des Etiketts recherchieren kann, woher etwas kommen kann und welche Folgen das typischerweise hat, oder wenn man sich unbedingt einer Gruppe Gleichgesinnter zuordnen möchte. Man kann also ein Etikett nachschlagen und lernt einiges über sich.

Selbstetikettierung schadet aber, wenn man glaubt, deshalb exakt so sein und sich dementsprechend verhalten zu müssen, wie es das Etikett vermeintlich vorschreibt.

 

Über den Autor
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und Psychologischer Psychotherapeut. Er bietet Psychotherapie sowohl persönlich in Herrieden bei Ansbach als auch über das Internet an. Er ist per E-Mail erreichbar.

 

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