Psychologie
7. April 2018

Sind Introvertierte kaputte Extravertierte?

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Introvertierte neigen dazu, zu denken, dass mit ihnen etwas nicht stimme. Das liegt an ihrem starken Bedürfnis, sich zurückzuziehen, da sie sich weniger mit Dingen im Äußeren beschäftigen als mit ihrem Inneren. Extravertierte können das in der Regel nicht nachvollziehen: Wer möchte denn nicht ständig von Menschen umgeben sein und so viele Eindrücke wie möglich sammeln?

Minderwertigkeitskomplexe sind hier jedoch fehl am Platz. Die beiden Persönlichkeitstypen ergänzen sich ganz hervorragend, da beide ihre Stärken und Schwächen in anderen Bereichen haben. Nur miteinander ist es nicht immer einfach, wenn beide kein Verständnis für den anderen aufbringen:

So geht es Extravertierten mehr ums „Tun“ als ums „Sein“. Da werden Freundschaften häufig auf der Grundlage geschlossen, was man alles zusammen erlebt. Introvertierten geht es eher darum, sich auf einer tieferen Ebene zu verbinden: ihnen sind gemeinsame Interessen und Wertvorstellungen, gegenseitiges Interesse, Verständnis und tiefgründige Unterhaltungen wichtig.

Wenn Introvertierte ihre Freunde treffen, dann tun sie dies, um tiefgründige Gespräche zu führen und die Beziehung zu ihren Freunden zu intensivieren. Treffen sie dann beispielsweise auf einen unverständigen extravertierten Freund, sind Missverständnisse vorprogrammiert, wenn dieser dann weitere Freunde einlädt, um gemeinsam Spiele zu spielen anstatt sich ernsthaft zu unterhalten. Ein unverständiger Introvertierter wird sich dann fragen, ob der Extravertierte tiefgründigen Gesprächen ausweichen will und womöglich sogar die Bedeutung der Freundschaft für den Extravertierten in Frage stellen.

Während Introvertierte sich gerne zurückziehen, um sich in Ruhe Wissen anzueignen und über die unterschiedlichsten Dinge nachzudenken, weil ihr Gehirn immer Futter braucht, werden Extravertierte sich beispielsweise gerne dazu bereiterklären, das Ergebnis vor vielen Menschen zu präsentieren und mit ihnen darüber zu sprechen.

Es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Unverständige Introvertierte könnten die Umtriebigkeit der Extravertierten umgekehrt ebenso als Unfähigkeit, mit sich selbst allein zu sein, verschmähen und als Schwäche umdeuten, wie unverständige Extravertierte den Introvertierten soziale Gehemmtheit oder gar Inkompetenz unterstellen. Letztlich fühlt sich ein Extravertierter in der Abgeschiedenheit aber genauso unwohl wie ein Introvertierter auf einer überfüllten Party, auf der er nur oberflächliche Gespräche führen kann. Keins davon ist besser oder schlechter als das andere. Beides ist normal.

 

Über den Autor
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und Psychologischer Psychotherapeut. Er bietet Psychotherapie sowohl persönlich in Herrieden bei Ansbach als auch über das Internet an. Er ist per E-Mail erreichbar.

 

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