Warum die Globalisierung langsamer werden muss
Vor etwa 250 Millionen Jahren gab es auf der Erde nur einen einzigen Kontinent; die Wissenschaftler nennen ihn heute Pangäa. Auf dem lebten im Vergleich zu heute nur sehr wenige Arten. Erst als diese Erdplatte auseinanderdriftete und die heutigen Kontinente entstanden, nahm die Artenvielfalt exponentiell zu. Den Grund dafür fand schon Charles Darwin heraus. Er hatte sich gefragt, warum in denselben Klimazonen in Lateinamerika, Afrika, Australien und Südasien so verschiedene Arten entstanden sind. Seine Antwort lautete: Vielfalt braucht Abstand. In Australien etwa konnten sich nur deshalb so viele verschiedene Beuteltierarten in den ökologischen Nischen breitmachen, weil es die in Europa und Amerika vorkommenden Wölfe oder Bären seinerzeit nicht bis nach Down Under geschafft hatten.
Diesen Prozess – Vielfalt durch Abstand – kehrt die Globalisierung nun um, indem sie Distanzen nichtig zu machen versucht. All jene Frachtschiffe etwa, die heute die globalen Lieferketten erst ermöglichen, laden zwecks Stabilisierung in ihren Ballastwassertanks an einem Ende der Welt Meerwasser, um es am anderen Ende wieder ins Meer zu lassen. Zehntausende Arten sollen dabei nach Schätzungen verschifft werden. Täglich.
Durch diese Art der Globalisierung findet ein unablässiger Artenaustausch statt. Eine Pflanze, die in ihrer Heimat durch evolutionär entstandene Feinde gebändigt wurde, kann in ihrer neuen Heimat – feindlos – Dutzende heimische Arten verdrängen. Dasselbe geschieht auch mit Landtieren und mit Krankheiten. So hat beispielsweise der Besuch asiatischer Touristen in einer amerikanischen Höhle Millionen Fledermäuse das Leben gekostet. Der Grund: das eingeschleppte Weißnasensyndrom.
Für die Natur ist in der Globalisierung immer Corona.
Biologisch betrachtet schafft die Globalisierung, so wie sie heute betrieben wird, also ein neues Pangäa, artenarm und öde, der Reichtum an genetischen Ressourcen stürzt gerade in erdgeschichtlichem Höchsttempo ab. Die Hauptprofiteure der Globalisierung mögen von diesen Dingen nichts wissen oder wissen wollen. Gleichwohl ahnen sie, dass ihre Kalkulation nicht aufgeht.