Minimalismus
17. März 2011

Minimalismus als Antwort auf das Energieproblem

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Warum produzieren wir mehr, als wir wirklich brauchen? Warum muss die Wirtschaft „unendlich“ wachsen? Warum müssen wir jedes Jahr mehr Gewinn machen, als im Vorjahr?

Warum wird so etwas Verantwortungsloses wie Atomkraft akzeptiert?

Die Atomkraft mitsamt ihren unkalkulierbaren Risiken und dem aus Prinzip schon abzulehnenden Problem der über Jahrtausende strahlenden „Endlager“ (von denen es übrigens bis heute entgegen des allgemein verbreiteten Irrtums kein einziges gibt) wird deshalb akzeptiert, weil wir glauben, andernfalls weniger Energie erzeugen zu können, als wir brauchen.

Aber warum verbrauchen wir so viel Energie? Warum produzieren die Autohersteller jedes Jahr mehr Autos als gekauft werden, obwohl es bereits gigantische Flächen voll nagelneuer Autos gibt, die einfach nicht gekauft werden?

Wir „brauchen“ die Atomkraft, weil wir den womöglich größten Irrtum unseres Lebens nicht verstanden und schon gar nicht korrigiert haben: Wir haben bereits genug!

Wieso muss eine Firma mit einer bestimmten Anzahl Mitarbeiter, die jedes Jahr den gleichen Gewinn macht, mit dem alle sehr gut leben können, auf Teufel komm raus weiter wachsen, nur um Gewinn um des Wachstums Willen zu machen?

Warum kaufen wir ständig unnötigen Unsinn ein, den wir nicht brauchen, der uns nicht glücklich macht und den wir bald wieder wegwerfen, nur weil wir gerne „kaufen“? Und warum kaufen wir nicht wenigstens Qualität?

Warum machen Hersteller ihre Produkte absichtlich schlechter und bauen ein künstliches Verfallsdatum ein, außer, weil sie wollen, dass schneller wieder nachgekauft wird?

Warum kaufen wir Nahrungsmittel, die schon eine Weltreise hinter sich haben, weil diese (wie absurd) „günstiger“ sind als die viel gesünderen Nahrungsmittel vom lokalen Erzeuger?

Mahatma Gandhi hat gesagt: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“

Wir bräuchten nicht im Ansatz so viele Produkte. Wir müssten nicht im Ansatz so viel arbeiten. Und wir bräuchten nicht im Ansatz so viel Energie, wenn wir nicht in einer begrenzten Welt – in einem begrenzten Körper – nach dem unbegrenzten Wachstum streben würden.

Atomkraft ist so „günstig“ und „umweltfreundlich“. Aber wer bezahlt sie im Endeffekt? Wie viele Tote gibt es, wie viel wird zerstört, wie viele Menschen werden krank, weil das „unwahrscheinliche“ Ereignis eintritt wie jetzt in Japan?

Die Halbwertszeit von Plutonium 239 beträgt 24.000 Jahre. Die *Halb*wertszeit! Das heißt, in 24.000 Jahren ist es „nur“ noch halb so gefährlich.

Und wer steht 24.000 Jahre lang Schmiere, um nachfolgende Generationen dezent darauf hinzuweisen, worauf sie gerade ihre Kartoffeln anbauen?

Wir sollten aufhören, im Hamsterrad unseres Egos zu laufen, in dem Versuch, unsere Gier zu befriedigen.

Mit der Gier verhält es sich genauso, als würde man versuchen, seinen Durst mit Salzwasser zu stillen. Man wird nicht satt und will stattdessen immer mehr, je mehr man davon trinkt.

Hören wir auf damit.

 

12. März 2011

Video: The Story of Stuff (deutsch)

Von
 

(English version)

Aus der Videobeschreibung:

Jedes Produkt hat seine eigene Geschichte. Und diese Geschichte ist oftmals viel länger als wir auf den ersten Blick erkennen können. Sie beginnt beim Anbau der Rohstoffe, geht über die Herstellung, den Vertrieb und unseren eigenen Konsum, und endet noch lange nicht im heimischen Mülleimer.

Die amerikanische Aktivistin und Moderatorin Annie Leonard hilft uns mit ihrem Video „The Story of Stuff“, den kompletten Konsumkreislauf und die damit verbundenen sozialen und ökologischen Folgen zu verstehen. Der wahre Preis unserer Produkte steht schließlich nicht auf dem Preisschild der Verpackung.

 

11. März 2011

Minimalismus und der Weg der Mitte

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Der “mittlere Weg” ist im Buddhismus ein Synonym für den Edlen Achtfachen Pfad. Im weiteren Sinn wird er im Buddhismus als Grundsatz verstanden, Extreme zu meiden.

Im Klartext bedeutet das, dass “die Erkenntnis” weder in exzessiver Weltabgewandtheit und Askese, noch in einer den materiellen Dingen verhafteten Lebensweise zu finden ist.

Ein Beispiel: Ist die Saite einer Gitarre zu wenig gespannt, entsteht kein schöner Klang. Ist sie zu stark gespannt, kann sie reißen. Nur wenn eine Saite die geeignete Spannung hat – sich also zwischen den Extremen bewegt –, kann sie einen schönen Klang erzeugen.

Auch in Bezug auf Dinge gibt es zwei Extreme.

Zum einen gibt es die extremen Minimalisten, deren Wohnungen so aussehen wie auf den beiden nachfolgenden Bildern und die sich nicht einmal einen bequemen Stuhl zulegen:

Und dann gibt es die anderen Extreme: Die Menschen, die alles kaufen und nichts wegwerfen. Die alles aufheben (“Vielleicht brauchen wir das nochmal!”) oder Dinge nur kaufen, um einen Status darzustellen – also zum Beispiel noch ein drittes und ein viertes Auto. Und natürlich die Ferienwohnung in Spanien.

Mein Stil wäre dann schon eher der hier:

Auch dieses Appartement ist aufgeräumt und vermeidet Ablenkungen, sodass der Geist zur Ruhe kommen kann, aber auf eine – für mich – stilvolle Weise.

Alle drei Bilder findet man übrigens bei der selben Suche nach minimalistisch eingerichteten Wohnungen.

Man muss nicht in einer spärlich eingerichteten Wohnung leben und seine Besitztümer zählen, damit man bloß nicht die 50 oder 100 Stück-Marke überschreitet, um sich Minimalist nennen zu können.

Beim Minimalismus geht es nicht um eine bestimmte Anzahl von Dingen, sondern um die optimale Anzahl Dinge, die für ein gutes Leben notwendig sind. Es geht um Vereinfachung und die daraus resultierende Freiheit und Lebensfreude.

Wenn Sie also ein einfacheres Leben führen wollen, identifizieren Sie zuerst, was Ihnen in Ihrem Leben das Wichtigste ist. Streichen Sie dann alles andere.

Fotos: 1, 2, 3

 

4. März 2011

Wirtschaft und Eigennutz

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Die Aufgabe spirituell Praktizierender ist es, zum Nutzen aller Lebewesen da zu sein. Dazu gehört auch, Eigennutz und Materialismus loszulassen. Gier und Egoismus halten uns im Kreislauf der Existenz gefangen. Wer andere Wesen verletzt, begibt sich auf einen Weg nach unten. Wer Gutes tut, geht aufwärts. Es gibt nur diese beiden Wege. Welchen Weg du gehst, ist nur eine Frage des Geistes. (…) Friede und Glück sind das Resultat eines aufrichtigen Herzens.
—Der Lama in SMS from Shangri-La (ARTE)

Wenn ich ein Unternehmen habe, dessen Aufgabe es ist, anderen Menschen – in welcher Form auch immer – zu helfen und diesen Menschen nützt, und ich verlange (zum Teil) auch Geld für diese Leistungen, das ich wiederum in das Unternehmen investiere, um noch mehr Menschen zu helfen – dann ist das Unternehmen doch in etwa so etwas wie ein buddhistisches Kloster, nur mit dem Unterschied, dass einerseits Geld dafür genommen, andererseits mit diesem Geld aber auch aktiv (statt nur passiv) dafür gesorgt wird, dass andere Menschen einerseits von der Sache erfahren, um davon profitieren zu können und andererseits das Angebot an sich verbessert wird, um den Nutzen für die Menschen zu erhöhen. Hier setze ich natürlich voraus, dass die Produkte oder Dienstleistungen dieses Unternehmens auch wirklich von Nutzen sind und nicht nur aus Profitstreben angeboten werden.

Bleibt noch der Eigennutz: Klar profitieren Mitarbeiter und Inhaber von dem Gewinn der Firma, aber ich denke, man muss zwischen reinem Eigennutz, ohne Mehrwert für andere Menschen zu schaffen, und Eigennutz als Ergebnis des Schaffens von Mehrwert unterscheiden. Warum sollte man nicht in Maßen von seinem positiven Schaffen auf dieser Welt profitieren, um sich selbst ein gutes Leben zu ermöglichen, während man anderen Menschen hilft?

Nicht jede Form von Eigennutz ist per se schlecht. Gier als eine entartete Form von Eigennutz natürlich schon, aber dann ist ohnehin nicht mehr von Eigennutz im Sinne eines Nutzens die Rede.

Wer Eigennutz prinzipiell ablehnt, lehnt im Umkehrschluss auch jeglichen Nutzen für andere ab: Wenn jemand ausschließlich für andere da ist (auch wenn er selbst davon nicht profitiert), ziehen diese wiederum einen Nutzen daraus. Müsste man folglich jegliches Tun einstellen? Ich bezweifle, dass das Sinn der Sache ist.

Den Materialismus als Irrglauben, durch die Anhäufung von materiellen Dingen glücklich(er) zu werden, sollte man natürlich ebenfalls loslassen. Um das zu schaffen, und die daraus entstehenden Vorteile zu verstehen (nämlich Glück bzw. „Happiness“), reicht es manchmal schon aus, eine Woche in völliger Einfachheit zu verbringen. Nichtsdestotrotz ist materieller Besitz nicht grundsätzlich schlecht. Ich besitze zum Beispiel ein Schlagzeug und kann damit ganz wunderbare Sachen anstellen. Warum sollte ich diesen materiellen Besitz loslassen, wenn er doch für viel Positives sowohl für mich selbst als auch für andere sorgen kann? Freude ist auch eine Form von Nutzen.

Wenn man der o. g. buddhistischen Schule folgen würde, dürfte man im Endeffekt keinen oder nur den geringstmöglichen Mehrwert aus seinen erbrachten Leistungen – aus seinem Dasein – ziehen. Eine mögliche Folge wäre, gar kein Geld – noch nicht einmal Spenden – mehr anzunehmen, wie es einige Buddhisten wie zum Beispiel Ajahn Brahm tun. Selbst wenn er seine Leistungen gratis erbringt und Menschen sich gerne „freiwillig“ dafür dankbar zeigen wollen, würde er das Geld nicht annehmen. Mit dem Weg der Mitte haben diese extremen Formen meiner Ansicht nach nicht mehr viel zu tun.

Man kann ein Unternehmen auch „wie ein buddhistisches Kloster“ führen. Man muss nicht seine Seele verkaufen, um Gewinne zu machen. Vielleicht bleiben einem auf diese Weise Wege zu schnellerem und höherem Reichtum verschlossen, aber es kommt ja auch kein normaler Mensch auf die Idee, einen Bankraub zu begehen. Man kann sein Unternehmen führen wie die Westvleteren Brauerei, die von römisch-katholischen Trappistenmönchen betrieben wird, die – Achtung, Eigennutz – genau so viel produzieren und verkaufen, wie sie brauchen, um ihre Existenz als Mönche aufrecht erhalten zu können.

 

6. Februar 2011

Von der Wertlosigkeit der Dinge

Von
 

Ich habe zu viel Zeug. Den meisten Menschen in Amerika geht es so. Und je ärmer Menschen sind, desto mehr Zeugs scheinen sie zu horten. Kaum jemand ist so arm, dass er sich nicht einen Vorgarten voller alter Autos leisten kann.

Das war nicht immer so. Die Dinge waren rar und wertvoll. Du findest noch immer Beweise dafür, wenn du danach Ausschau hältst. Zum Beispiel haben in meinem Haus in Cambridge, das 1876 erbaut wurde, die Schlafzimmer keine Kleiderschränke. Zu jener Zeit passte die Kleidung der Menschen in eine Kommode.

Selbst in jüngster Vergangenheit, vor wenigen Jahrzehnten, gab es eine Menge weniger Zeugs. Wenn ich mir Fotos aus den siebziger Jahren anschaue, erstaunt es mich, wie leer die Häuser wirken. Als Kind besaß ich, wie ich fand, eine große Spielzeugauto-Flotte, aber von dem, was mein Neffen besitzen, wird sie völlig in den Schatten gestellt. Alles in allem bedeckten meine Matchbox und Corgi-Autos ein Drittel der Fläche meines Bettes. In den Zimmern meiner Neffen ist das Bett der einzige freie Platz.

Die Dinge sind viel billiger geworden, aber unsere Haltung ihnen gegenüber hat sich nicht entsprechend gewandelt. Wir überbewerten Dinge.

Das war ein großes Problem für mich, als ich kein Geld hatte. Ich fühlte mich arm, und Zeugs schien wertvoll zu sein, also sammelte ich es beinahe instinktiv an. Wenn Freunde umzogen, ließen sie Dinge für mich zurück oder ich fand etwas im Sperrmüll, wenn ich die Strasse entlangging und die Dinge für die Abholung am nächsten Tag bereitgestellt waren (hüte dich vor allem, das du als “völlig in Ordnung” beschreiben könntest), oder ich fand etwas auf dem Flohmarkt – für den Zehntel seines Neuwertes. Und Rumms: Mehr Zeugs.

In der Tat waren diese geschenkten oder nahezu geschenkten Dinge keine Schnäppchen, weil sie sogar noch weniger wert waren, als sie kosteten. Das meiste von dem Zeug, das ich ansammelte, war wertlos, weil ich es nicht brauchte.

Was ich nicht verstand: Der Wert der Neuanschaffungen ist nicht die Differenz zwischen seinem Handelspreis und der Kaufsumme. Das war der Wert, den ich ihm zuschrieb, doch Zeugs ist ein extrem unbeweglicher Aktivposten. Solange du nicht die Absicht hast, den wertvollen Gegenstand den du so günstig erstanden hast zu verkaufen – welchen Unterschied macht es da, was er “wert” ist?

Der einzige Weg, auf dem du irgendeinen Nutzen aus ihm ziehen kannst, ist ihn zu nutzen. Und wenn du keine direkte Verwendung für die Dinge hast, wirst du sie meist wohl nie haben.

Firmen die Zeugs verkaufen haben große Geldsummen aufgewendet um uns in dem Glauben zu wiegen, Zeugs sei dennoch wertvoll. Doch es ist näher an der Wahrheit, Zeugs als wertlos anzusehen.

Und oftmals ist es sogar noch weniger als wertlos, denn wenn du es erst einmal eine bestimmte Menge an Dingen angesammelt hast, beginnen sie, dich in Besitz zu nehmen – eher als dass du sie besäßest.

Ich weiß von einem Paar, die sich im Rentenalter nicht in die ihrer Wahl Stadt zurückziehen konnten, weil sie sich kein Wohnung leisten konnten, die groß genug für all ihr Zeugs gewesen wäre. Ihr Haus gehörte nicht ihnen, es gehörte ihrem Krempel.

Und wenn du nicht extrem organisiert bist, kann ein Haus voller Zeugs sehr erdrückend sein. Ein unordentlicher Raum zieht Lebenskraft. Ein Grund ist naheliegenderweise, dass es in einem Raum voller Zeugs weniger Platz für Menschen gibt.

Aber da ist noch mehr am Werke, als nur dies. Ich denke, dass Menschen andauernd ihre Umgebung scannen, um ihr mentales Modell von dem, was sie umgibt, zu aktualisieren. Und je schwerer ein Ort zu erfassen ist, desto weniger Energie bleibt einem für bewusste Gedanken.

Ein vollgestopfter Raum ist anstrengend. (Das würde erklären, warum Unordnung Kinder weniger ausmacht, als Erwachsenen. Kinder haben noch weniger ausgefeilte mentale Modelle. Sie bauen sich gröbere Modelle ihrer Umgebungen, und das braucht weniger Energie.)

Die Wertlosigkeit der Dinge erkannte ich zum ersten Mal, als ich für ein Jahr in Italien lebte. Alles was ich mitnahm, war ein großer Rucksack voller Dinge. Der restliche Krempel ließ ich in den USA auf dem Dachboden meiner Vermieterin zurück.

Und weißt du was? Alles was ich vermisste, waren einige der Bücher. Am Ende des Jahres konnte ich mich noch nicht mal erinnern, was sonst ich auf dem Dachboden gelagert hatte.

Und doch, warf ich nicht mehr als eine Kiste voll von all dem Zeugs fort, als ich zurückkam. Ein Wählscheibentelefon wegwerfen, das völlig in Ordnung ist? Ich könnte es eines Tages gebrauchen.

Der wirklich schmerzvolle Aspekt daran ist ja nicht nur, dass ich all dieses nutzlose Zeug ansammelte, sondern dass ich für diese Dinge oftmals Geld ausgab, dass ich dringend benötigt hätte für etwas, das ich derzeit nicht hatte.

Warum tat ich so was? Weil die Leute, deren Job es ist, dir Zeugs zu verkaufen, das wirklich sehr, sehr schlau anstellen. Ein durchschnittlicher 25-Jähriger ist den Firmen nicht gewachsen, die Jahre darauf verwendet haben herauszufinden, wie sie uns dazu bringen können, Geld für Zeugs auszugeben. Sie machen die Erfahrung des Dinge-Kaufens so angenehm dass “Shopping” zu einer Freizeitaktivität wird.

Wie kann man sich vor diesen Leuten schützen? Es ist nicht einfach. Ich bin ein durchaus skeptischer Mensch, aber ihre Tricks funktionierten bei mir bis weit in die 30er Jahre meines Lebens hinein. Aber eine Sache, die funktionieren könnte, ist – bevor du etwas kaufst – dich selbst zu fragen: “Wird das mein Leben merklich verbessern?”

Eine Freundin von mir kurierte sich selbst von ihrer Kleider-Kauf-Angewohnheit, indem sie – bevor sie irgendetwas kaufte – sich selbst fragte: “Werde ich das andauernd tragen?” Wenn sie sich nicht selbst davon überzeugen konnte, dass das Teil, das sie zu kaufen gedachte, eines jener wenigen Dinge würde, die sie andauernd trug, kaufte sie es nicht.

Ich denke, das funktioniert für jede Art von Erwerb: Wird das etwas sein, dass ich andauernd nutze? Oder ist es einfach einfach eine nette Sache? Oder noch schlimmer, einfach ein Schnäppchen?

Der schlimmste Krempel sind in dieser Hinsicht Dinge, die du kaum benutzt, weil sie zu gut sind. Nichts nimmt dich so in Beschlag wie zerbrechliche Dinge. Zum Beispiel das “gute Porzellan”, das so viele Haushalte aufbewahren, und dessen hervorstechendste Eigenschaft nicht darin besteht, dass es Freude bereitet, es zu benutzen, sondern dass man höllisch aufpassen muss, es nicht kaputt zu machen.

Ein weiterer Weg sich davor zu bewahren Zeugs anzuschaffen, besteht darin, die Gesamtkosten zu bedenken, die sein Besitz verursacht. Der Kaufpreis ist nur der Anfang. Du musst dir das Ding über Jahre vorstellen – vielleicht sogar für den Rest deines Lebens. Jedes Ding, das du besitzt, entzieht dir Energie. Einige geben dir mehr, als sie dir nehmen. Sie sind die einzige Dinge, die es wert sind, besessen zu werden.

Ich habe nun damit aufgehört, Zeugs anzusammeln. Außer Bücher – aber Bücher sind anders. Bücher sind eher eine Flüssigkeit als individuelle Objekte. Abgesehen von Büchern vermeide ich Krempel nun aktiv. Wenn ich Geld ausgeben will für irgendein Vergnügen, ziehe ich tagtäglich Dienstleistungen den Dingen vor.

Ich behaupte nicht, dass das so ist, weil ich eine Zen-artige Nichtanhaftung an die Dinge erlangt habe. Ich spreche über etwas Mondäneres. Ein geschichtlicher Wandel hat sich vollzogen. Und ich habe es nun erkannt. Zeugs war wichtig und ist es nun nicht mehr.

In den industrialisierten Ländern geschah in der Mitte des 20. Jahrhunderts dasselbe mit Lebensmitteln. Als Nahrung billiger wurde (oder wir wurden reicher; das ist ununterscheidbar), wurde Überernährung zu einer größeren Gefahr als Unterernährung.

Wir haben diesen Punkt nun in Bezug auf die Dinge erreicht. Für die meisten Menschen, ob arm oder reich, sind die Dinge zu einer Last geworden.

Die gute Nachricht ist: Wenn du eine Last trägst, ohne es zu wissen, vermag dein Leben besser zu sein, als du es dir vorstellen kannst.

Stell dir vor, du läufst seit Jahren mit kiloschweren Gewichten an deinen Füssen durchs Leben und ganz plötzlich werden sie dir abgenommen.


Dieser Artikel wurde von Paul Graham veröffentlicht und von Dirk Henn ins Deutsche übersetzt.

 

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