Minimalist in 21 Tagen
Jeder kennt das gute Gefühl, das von einer leeren Schreibtischplatte und einem sauberen, aufgeräumten Fußboden ausgeht. Aber Minimalismus ist mehr als das. In der kommenden Serie werde ich von Anfang an beleuchten, wie man ein “Minimalist” wird (oder was auch immer Sie daraus machen).
Was ist ein Minimalist?
Im Grunde ist ein Minimalist jemand, der mit möglichst wenig Dingen lebt, oder, um es nicht ganz so extrem zu betreiben, jemand, der nur das für ihn Wichtigste in seinem Leben beibehält – seien es Dinge, Tätigkeiten oder sogar Beziehungen.
Minimalismus kann dabei mehrere Ziele haben, die jeder für sich anders gewichtet:
- Mehr Zeit haben
- Ablenkungen reduzieren
- “Ballast” entfernen, der uns mental erdrückt
- Ein freieres, freudvolleres Leben führen
- Weniger Geld ausgeben müssen
- Weniger Aufwand durch Putzen, Instandhalten, etc.
- Mehr Selbstbestimmung
- Dem Einfluss der Gesellschaft und der Werbung widerstehen
- Im Augenblick leben und das Leben genießen
- Sich besser konzentrieren können
- Herausfinden und tun, was uns wirklich wichtig ist
- Mehr erschaffen, weniger konsumieren
- Mit weniger Aufwand mehr erreichen/verdienen
- Gesünder und langsamer Leben
- Schulden abbauen
- Mehr für sich und weniger für andere leben
Minimalismus bedeutet nicht, ein bedeutungsloses, “leeres” Leben zu führen, sondern nur den Dingen Raum zu geben, die einem wichtig sind und sich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was einem Freude macht.
Siehe auch: Was ist Minimalismus?
Minimalismus bedeutet nicht, in einer kleinen, hässlichen Wohnung zu leben, sondern lediglich, ein einfaches Leben zu führen, welches Ballast minimiert und Lebensfreude maximiert.
Wie bin ich auf diese Idee gekommen?
Keine Ahnung! Soweit ich mich erinnere (was ich leider nicht wirklich tue), habe ich zuerst von Derek Sivers erfahren, dass es Menschen gibt, die bewusst ihren Besitz reduzieren. Kurz darauf wurde ich auf Minimalisten wie Everett Bogue und Leo Babauta aufmerksam. Später habe ich noch andere Minimalisten kennen gelernt und ihre Artikel gelesen.
Wenig später habe ich eine Woche in Taizé verbracht und dort sehr einfach gelebt. Und: Ich war glücklich und habe nichts vermisst. Vielleicht mein Schlagzeug, aber sonst? (Klar hätte ich mit der Zeit gern die ein oder andere Annehmlichkeit zusätzlich gehabt, aber ich besitze mehr Kram als ich brauche und ich weiß jetzt, dass ich mit sehr wenigen Dingen sehr glücklich sein kann).
Ich habe gelernt: Je weniger man hat, desto mehr kann man das genießen, was man hat.
Wenn einem die Entscheidungsvielfalt irgendwann über den Kopf wächst, findet man daran keine Freude mehr, sondern fühlt sich einfach nur noch erschöpft und überfordert.
Und: Das wichtigste im Leben sind die Menschen, mit denen wir zusammen sind. Ich wage mich sogar die Behauptung aufzustellen: Je “schlechter” unsere sozialen Beziehungen sind, desto mehr müssen wir uns mit materiellen Dingen davon ablenken, dass uns hier eine entscheidende Quelle der Lebensfreude fehlt.
Es ist manchmal interessant zu sehen, dass zum Beispiel Afrikaner, die wir dafür bemitleiden, dass sie wenig bis garnichts besitzen, fast immer ein bezauberndes Lächeln draufhaben, während wir in unseren Luxuskarossen samt Sitzheizung im Stau stehen und die Mundwinkel nach unten ziehen. Woran liegt das?
Woraus bestehen die nächsten Schritte?
- Sich klar werden, was man besitzt und zuerst einmal alles “zur Seite packen” (zum Beispiel in einen anderen Raum) und sich nur noch das herausnehmen, was man wirklich braucht.
- Alles, was man ein halbes Jahr lang nicht benötigt hat, wegschmeißen, verkaufen, verschenken oder spenden.
- Darüber nachdenken, was uns Freude macht und was uns eigentlich eher belastet und wie wir die Belastungen reduzieren könnten.
In den folgenden Artikeln gehe ich mehr ins Detail:
Bisherige Artikel
Die Qual der Wahl
Wenn Sie die Wahl hätten – was würden Sie lieber tun?
Mit einem Jetski den Rest Ihres Lebens über die Meeresoberfläche fahren – rundherum um Sie nichts weiter als das Meer. Gehetzt und auf der Suche, nichts zu verpassen, weil es vielleicht an einer anderen Stelle des Meeres besser sein könnte?
Oder den Rest Ihres Lebens anhalten und tauchen – in die Tiefe gehen – und die Korallen betrachten, etwas über die Korallen lernen? Die Korallen und die Lebewesen unter der Oberfläche genau kennen lernen, aber zu dem Preis, dass Sie dort verweilen müssten, um sich genauer damit zu beschäftigen, statt dauernd auf der Oberfläche zu rasen aber nichts wirklich kennen zu lernen?
Der Schlagzeuger Gavin Harrison spricht in diesem Video über die Probleme, die ein Zuviel an Auswahl mit sich bringt.
Wir haben heutzutage so viel Auswahl, dass wir uns nicht mehr entscheiden können. Es ist ein Akt der Courage, sich mal auf etwas einzulassen.
Das zieht sich durch viele Bereiche:
- Partner werden immer häufiger gewechselt, fast schon im Wochentakt, weil der nächste vielleicht besser sein könnte.
- Man kauft sich ein Instrument, z. B. ein Keyboard, und hat so viele Möglichkeiten, dass man als Anfänger komplett erschlagen wird, weil man denkt man müsse das Alles beherrschen können, statt langsam reinwachsen zu dürfen und gibt womöglich entmutigt auf.
- Wenn viele Artikel von anderen Autoren auf einmal veröffentlicht werden, die ich gerne lesen möchte, gerate ich manchmal in Hektik und überfliege sie viel öfter als wenn an einem Tag nur wenige Artikel erscheinen. Ich möchte die Inhalte nicht verpassen, schaffe es aber auch nicht immer, mich ganz darauf einzulassen. Dieser halbgare Ansatz führt aber zu nichts, dann hätte ich es auch gleich sein lassen können.
- Wir haben so viel Auswahl an Ablenkungen durch Telefon, Handy, SMS, E-Mail, Facebook, Twitter (neuerdings ja auch mobil), dass wir uns nicht mehr auf unser Gegenüber konzentrieren. Die Geräte scheinen grundsätzlich mehr Priorität zu haben als das persönlich anwesende Gegenüber, und so werden Gespräche schonmal jäh unterbrochen, weil irgendwas gepiepst hat.
- Ich sollte vor Kurzem am Schlagzeug einen kurzen, vordefinierten Groove spielen und anschließend etwas selbst Improvisiertes einbauen (und das Ganze wieder von vorne). Da fiel mir auf, dass ich so viele Auswahlmöglichkeiten hatte, dass ich nicht mehr wusste, was ich spielen sollte. Kann sein, dass ich einen schwachen Tag hatte, aber der Groove war zu einfach und zu kurz, als dass sich meine Möglichkeiten eingeschränkt hätten, weil Alles dazu gepasst hätte. Hätte nicht Alles dazu gepasst, hätte ich viel eher gewusst, was ich dazu einbaue. In solchen Fällen ermöglicht manchmal die Einschränkung erst die Freiheit.
- Wann machen Einschränkungen frei? Wenn beispielsweise jemand sagt „Schreib mir ein Stück Musik. Egal was. Keine Einschränkungen. Los!“ sind Sie überfragt. Dann haben Sie das Probem des leeren Blattes. Wenn aber jemand sagt „Schreib mir ein Stück Musik mit einer Flöte, einer Säge und diesem kaputten Spielzeugklavier. Du darfst nur die Noten D, E und B benutzen – aber nie alle drei zur gleichen Zeit. Es muss im Dreivierteltakt sein, leise anfangen, erst lauter und am Schluss wieder leise werden!“, dann kann es losgehen.
- Es gibt so viele TV-Kanäle und so viel Zugriff auf Musik, dass wir nur noch durchzappen oder nach wenigen Augenblicken bereits vorspulen, weil so viel Anderes noch auf uns warten könnte, statt uns hinzusetzen und wirklich zuzuhören und uns einer Sache uneingeschränkt zu widmen (und daraus dann viel mehr Nutzen zu ziehen).
Warren Buffett, berühmter Investor und zweitreichster Mensch der Welt, hat einmal gesagt: „Konzentrieren Sie Ihre Investments. Wenn Sie über einen Harem mit vierzig Frauen verfügen, lernen Sie keine richtig kennen.“
Ich denke das trifft nicht nur auf Finanzinvestitionen, sondern auf sämtliche Bereiche des Lebens zu.
Aufmerksamkeit ist die Währung unserer Zeit. Aber wir tun damit nicht nur jemand anderem etwas Gutes, wenn wir ihm unsere Aufmerksamkeit schenken, sondern wir gewinnen auch für uns selbst viel, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf wenige Dinge beschränken und diese richtig kennen lernen.
Vorteile des Radfahrens
Ich habe mir heute ein neues Fahrrad gekauft, auf das ich mich schon sehr lange gefreut habe.
Dieses minimalistische Fortbewegungsmittel bietet einige Vorteile:
- Es spart Platz.
- Es kostet weniger als ein Auto. Die Anschaffungskosten sind im Schnitt wohl etwa 20 bis 40 mal geringer und man verbraucht keinen Kraftstoff, benötigt keinen Führerschein und keine teuren Wartungen. Es gibt keine Steuern und die günstige Versicherung ist freiwillig.
- Man schont die Umwelt. Es ist leise und wartungsarm.
- Es fördert die Gesundheit. Man baut nicht nur Muskeln auf, sondern bewegt sich auch an der frischen Luft. Die meisten von uns sitzen sowieso den ganzen Tag über im Büro, dann müssen wir nicht auch noch unbedingt im Auto sitzen.
- Man spart sich das Fitnessstudio. Die wichtigsten Übungen für Bauch, Rücken, Arme kann man mit wenigen Utensilien zu Hause machen – das Beintraining geht da nicht so einfach. Fahrrad fahren, laufen gehen oder ein Sport wie Badminton ermöglicht das auch außerhalb eines Fitnessstudios. Alternative: Hometrainer – allerdings ohne Aussicht und frische Luft.
- Man hat Zeit zum Nachdenken, oder, wer den Kopf freibekommen möchte, kann die Zeit auf dem Fahrrad zu einer Art Meditation nutzen (gezieltes Nicht-Nachdenken).
- Man baut Stress ab, wird ausgeglichener und fröhlicher, reduziert Ängste und stärkt seine Leistungsfähigkeit.
- Man nimmt ab, wenn man übergewichtig ist, und als Untergewichtiger baut man Muskeln auf. Egal wie rum man es betrachtet, es ist in jedem Fall von Vorteil.
- Man sieht mehr von der Welt, weil man anhalten und die Aussicht genießen oder das Tempo reduzieren kann, wann immer man will, ohne von allen Seiten angehupt zu werden. Außerdem kann man in Gassen und Gebieten fahren, wo kein Auto hin kommt.
- Man lernt mehr Menschen kennen als im Auto.
- Kürzere Distanzen (ca. 10 km) erfordern nur unwesentlich mehr Zeit gegenüber dem Auto – vor allem in den verstopften Städten – und man spart sich die Parkplatzsuche.
Ich sage nicht, dass man alles mit dem Fahrrad fahren sollte. Ich selbst brauche momentan noch immer das Auto, weil viele Termine einfach zu weit weg sind und größere Einkäufe etwas lästig sind, wenn man den Supermarkt nicht um die Ecke hat. Aber man kann klein anfangen und spätestens, wenn ich in der Stadt lebe, werde ich komplett aufs Fahrrad umsteigen.
Weitere Informationen:
- Stiftung Warentest: Ran an die Pedalen
- Die 10 Gebote des sicheren Radfahrens
- ADFC — Der ADAC für’s Fahrrad (viele Infos!)
- Naviki — Fahrrad-Routenplaner
Entschleunigung oder Verlangsamung?
Mit Entschleunigung wird ein Verhalten beschrieben, aktiv der beruflichen und privaten „Beschleunigung“ des Lebens entgegenzusteuern, d. h. wieder langsamer zu werden oder sogar zur Langsamkeit zurückzukehren.
Die Entschleunigung zeigt Wesensmerkmale der Faulheit und Muße, ohne wie diese negativ besetzt zu sein.
Tatsächlich hat der stromlinienförmige Begriff der “Entschleunigung” eine solch inflationäre Verbreitung erfahren, weil es allenthalben an Mut fehlt, für die ehrlichere Forderung nach “Verlangsamung” einzustehen.
Bei einer kleinen Rücknahme der Beschleunigung braucht niemand eine Drosselung der gewohnten Geschwindigkeit zu fürchten. Verlangsamung hingegen würde das Fortschrittsdenken radikal in Frage stellen.
Krempel bedeutet Stress
While I don’t consider myself to be some sort of ascetic or societal recluse, I’ve found that more stuff equates to more stress. Each thing I own came with a small expectation of responsibility. I look into my closet and feel guilt. I glance into my desk drawers and see my neglect.
—Michael Kelly Sutton, Softwareentwickler und Begründer des „Cult of Less“
Jeder Gegenstand bringt ein Stück Verantwortung und Zuständigkeit mit sich – und damit einen Funken Stress und psychischen Ballast. Kelly Sutton hat seinen Beweggrund gut auf den Punkt gebracht.
Wenn man feststellt, dass etwas überflüssig ist oder sogar stört, dann entsorgt man es, trennt sich davon, lässt es sein. Empfindet man gegenüber seinem Eigentum so, ist die Entscheidung, seinen Besitz zu reduzieren, die logische Konsequenz: man schafft den „Müll“ raus.
Wie man zu dieser Empfindung kommt, ist eine komplexe Sache. Jedenfalls ist es mir noch nicht gelungen, eine adäquate Antwort auf diese Frage zu finden. Wer sich häufig selbst hinterfragt, kommt, glaube ich, automatisch zu der Erkenntnis, dass man vieles von dem, was man sich einst angeschafft hat, gar nicht braucht, sondern bloß haben wollte und sich nun nicht mehr davon trennen kann (aber warum?).
Ich freue mich auf den besonderen Charme, der von einem minimalistisch ausgestatteten Zimmer ausgeht. Den Charme eines Hotelzimmers (wie ich finde ein wunderbarer Vergleich).
Ich bin gespannt, ob und welche Veränderungen ich in meinem Alltag wahrnehmen werde, sobald ich meinen Besitz aufs Nötigste reduziert habe. Werde ich mich besser aufs Wesentliche konzentrieren können? Werde ich gelassener und produktiver?