Die Vergangenheit abschütteln, um weiter zu kommen
Wie die Psychologie Heute berichtet, hat der Sozialwissenschaftler Aladin El-Mafaalani von der Ruhr-Universität Bochum analysiert, was diejenigen, die sich aus einer ungünstigen Ausgangslage befreit und es geschafft haben, erfolgreich zu werden, von denen unterscheidet, die das nicht vermochten.
Dafür führte er insgesamt 19 Interviews mit erfolgreichen deutschen und türkischen Akademikerinnen und Akademikern:
Die Befragten, deren Eltern bestenfalls einfache Schulabschlüsse besitzen, haben alle Karriere in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kunst oder Kultur gemacht. El-Mafaalani interessierte sich vor allem für soziale Barrieren und wie man diese überwinden kann.
Er hat ein typisches Muster gefunden: Ob ausländischer Herkunft oder nicht, alle Bildungsaufsteiger haben sich sowohl innerlich als auch äußerlich von ihrem ursprünglichen Milieu distanziert.
Die innere Distanzierung vollzieht sich durch eine sogenannte Habitusveränderung, die äußere durch den sozialen Aufstieg über Bildung. Habitusveränderung bedeutet, dass die Aufsteiger mehr oder weniger offen ihre eigene Herkunft und damit auch ihre Vergangenheit verneinen. Insbesondere die Ablehnung ästhetischer, kognitiver, körperlicher und moralischer Aspekte des Herkunftsmilieus zeigt, dass Bildung immer auch mit einer Veränderung der Persönlichkeit einhergeht.
Ich verstehe das so, dass man seine Vergangenheit nicht verleugnen soll, da man immerhin das Produkt der in ihr getroffenen Entscheidungen ist. Jedoch sollte man die alte Haut abstreifen, um voran zu kommen und die neue Version seines Selbst zu leben.
Man kann es auch so sehen: Wer diejenigen Aspekte der Vergangenheit verneint oder ablehnt, die ihn in seiner persönlichen Entwicklung behindern, der reißt die Brücken dorthin ein und ist dadurch gezwungen, sich auf der neuen Seite weiter zu entwickeln.
Jemand kann nicht vorwärts kommen, wenn er nicht auch gleichzeitig etwas zurücklässt.1
Siehe auch: Wie kommen benachteiligte Kinder nach oben?
1 Robin Skynner, John Cleese: Familie sein dagegen sehr, 1988, S. 165.
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und Psychologischer Psychotherapeut.