Minimalismus
12. Februar 2012

Erich Fromm über den Kapitalismus

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Der moderne Kapitalismus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren, die immer mehr konsumieren wollen, deren Geschmack standardisiert ist und leicht vorausgesehen und beeinflusst werden kann. Er braucht Menschen, die sich frei und unabhängig vorkommen und meinen, für sie gebe es keine Autorität, keine Prinzipien und kein Gewissen – und die trotzdem bereit sind, sich kommandieren zu lassen, zu tun, was man von ihnen erwartet, und sich reibungslos in die Gesellschaftsmaschinerie einfügen; Menschen, die sich führen lassen, ohne dass man Gewalt anwenden müsste, die sich ohne Führer führen lassen und die kein eigentliches Ziel haben ausser dem, den Erwartungen zu entsprechen, in Bewegung zu bleiben, zu funktionieren und voranzukommen.

(…)

Jeder glaubt sich in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt und sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln nicht von den anderen unterscheidet. Während aber jeder versucht, den übrigen so nahe wie möglich zu sein, bleibt er doch völlig allein und hat ein tiefes Gefühl der Unsicherheit, Angst und Schuld, wie es immer dann entsteht, wenn der Mensch sein Getrenntsein nicht zu überwinden vermag.

(Erich Fromm: „Die Kunst des Liebens“)

 

12. Februar 2012

Erich Fromm über Konsum

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Des Menschen Glück besteht heute darin, „seinen Spaß zu haben“. Und man hat seinen Spaß, wenn man sich Gebrauchsgüter, Bilder, Essen, Trinken, Zigaretten, Menschen, Zeitschriften, Bücher und Filme „einverleibt“, indem man alles konsumiert, alles verschlingt. Die Welt ist nur noch da zur Befriedigung unseres Appetits, sie ist ein riesiger Apfel, eine riesige Flasche, eine riesige Brust, und wir sind die Säuglinge, die ewig auf etwas warten, ewig auf etwas hoffen und ewig enttäuscht werden.

(Erich Fromm: „Die Kunst des Liebens“)

 

7. Februar 2012

Minimalismus als digitale Konsumkritik

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Minimalismus kann Konsumkritik sein, und als solche auch zur Gesellschaftskritik werden, da unsere Gesellschaft sich bedauerlicherweise zumeist über Konsum definiert.

Minimalismus in der digitalen Welt sollte nicht nur Datensparsamkeit bedeuten, sondern auch das Nachdenken über die Verantwortung, die mit der Frage einhergeht, wie wir diese Daten speichern.

Speichern wir – weil es kostenlos und praktisch ist – unsere Daten bei profitorientierten Konzernen wie Google und Facebook, speichern wir dort nicht nur unsere Daten. Wir speichern und verkaufen mit unseren Daten auch unsere Gedanken, unsere Sehnsüchte, ja sogar unsere Würde, und machen sie Menschen zugänglich, die diese Daten ausschließlich dazu nutzen, uns noch mehr Bedürfnisse einzureden, noch mehr Wunsch nach Konsum zu generieren, obwohl diese Welt bereits im Konsum und dem damit einhergehenden Müll erstickt.

Kurzum: Wir verkaufen unsere Seele.

Natürlich ist es weniger Aufwand, professionellen Administratoren bei Google das Sichern von 50.000 oder gar 100.000 E-Mails zu überlassen, als diese regelmäßig selbst zu sichern, allerdings verkauft man damit auch seine Ideale.

Minimalismus bedeutet insofern nicht immer nur den geringsten Aufwand zu betreiben, sondern das Einstehen für das, was einem wichtig ist. Es bedeutet den Weg der Mitte zu gehen, und nicht den Weg des geringsten Widerstandes. Vor allem aber bedeutet es den Weg zu gehen, der die eigene Seele am meisten schützt und nährt.

 

12. Januar 2012

Das Paradox unserer Zeit

Von
 

Wir haben größere Häuser, aber kleinere Familien;
mehr Annehmlichkeiten, aber weniger Zeit.
Wir haben mehr Diplome, aber weniger Verstand;
mehr Wissen, aber weniger Urteilsvermögen;
mehr Experten, und mehr Probleme;
eine bessere Medizin, aber eine schlechtere Gesundheit.
Wir sind den ganzen Weg bis zum Mond und zurück gereist,
aber wir tun uns schwer, die Straße zu überqueren,
um unsere neuen Nachbarn zu begrüßen.
Wir haben bessere Computer entwickelt,
die immer mehr Informationen speichern können,
um mehr Kopien zu erzeugen, denn je zuvor,
aber wir kommunizieren weniger.
Wir setzen auf Masse und Quantität,
statt auf Klasse und Qualität.
Wir essen schnelles Fast Food,
aber brauchen lange um es zu verdauen;
Wir mimen die starken Männer,
aber unser Charakter ist verkümmert.
Wir machen riesige Gewinne,
aber keine Freundschaften.
Es ist eine Zeit in der viel im Schaufenster ist,
aber nichts im Raum.

Übersetzung: Alex Rubenbauer

 

7. Januar 2012

Macht Konsum unglücklich?

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

“Ist das Loswerden von materiellen Dingen auch eine Art Konsumkritik, sprich, macht Konsum, das Besitzen von Dingen unglücklich?”

Minimalismus kann eine Art der Konsumkritik sein und ist es auch oft. Die Motive, warum manche mit einer einfacheren, minimalistischen Lebensweise beginnen, können zuerst von dem Wunsch nach Konsumkritik inspiriert sein, aber ich denke dass oft das Gegenteil vor sich geht:

Man merkt, dass man weniger braucht, zu viel um die Ohren hat, mehr “(Dinge) verwaltet” als wirklich lebt, dass es zu viel Quantität und zu wenig Qualität im eigenen Leben gibt.

Und in der Auseinandersetzung, in dem Prozess, beginnt man, aufmerksamer zu werden, zu verstehen, was in der Gesellschaft und ihrem Konsumwahn vor sich geht und distanziert sich dann erstrecht davon, wohl wissend, dass Konsum nicht glücklich macht, aber auch nicht zwangsweise unglücklich.

Ein glücklicher Mensch wird auch glücklich bleiben, wenn er gerne Sachen kauft. Er wird wahrscheinlich wissen, dass er sie nicht “braucht”, aber hat vielleicht Freude daran.

Ein unglücklicher Mensch dagegen wird davon nur temporär “glücklicher”, was aber eine Illusion ist, in Wahrheit wird er nur kurzzeitig von seinem Unglück, seiner inneren Leere, abgelenkt.

Ein unglücklicher Mensch, der das erkennt und “aufhört” zu konsumieren um zu kompensieren – also zu kaufen ohne wirklich etwas zu brauchen –, der schaut sein Unglück an und sagt sich “okay, hier muss ich was in meinem Innenleben, in meinem echten Leben, ändern, statt nur im Äußeren nach Befriedigung zu suchen”. Und wenn er dann ändert statt sich zu “betäuben” wird er wieder glücklicher werden.

 

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